[1] Jugendliches Singen und Musizieren in Jöllenbeck (1838)
An der Kanzel der
Jöllenbecker Kirche erinnert das Relief eines säenden Landmannes
¹) unsere Generation an den
Mann, der als "Erweckungsprediger" weit über die Grenzen Jöllenbecks hinaus das
kirchliche Leben von Minden-Ravensberg im 19. Jahrhundert geprägt hat. Es erinnert an Johann
Heinrich Volkening (1796-1877), der am 9. Mai 1838 in Jöllenbeck als Pfarrer
eingeführt wird, und "dem Gott der Herr die Gnade gab, das Wort des Lebens so zu sagen
und den Gekreuzigten und Auferstandenen so zu bezeugen, dass es durch die Herzen ging"
(Pfr. E. Kleßmann). Die Saat seiner Predigt von Sünde, Vergebung und Gnade, die auf
persönliche Umkehr und ein geheiligtes Leben im Glauben zielt und der
"Branntweinpest" den Kampf ansagt, fällt in Jöllenbeck auf gutes Land und trägt
reiche Früchte. Eine "Erweckungsbewegung" belebt das geistliche Leben der
Gemeinde wieder neu, sondern greift auch mit ihrem Ansatz von "Innerer Mission"
brennende soziale Probleme dieser Zeit auf.
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Johann Heinrich Volkening |
Volkening im Holzrelief |
Hermann Heinrich Kastrup |
Volkenings Predigt bewegt
auch das Herz von drei jungen Männern, die sich sonntags vor dem
"Morgenkaffee" und Gottesdienstbesuch im Verborgenen in einem Waldstück treffen, um
gemeinsam zu singen und zu beten und in der Bibel zu lesen. Die Initiative dazu geht von dem
20jährigen Leinenweber Hermann Heinrich Kastrup (1818-1900) aus. Als der Kreis wächst, treten sie
an die Öffentlichkeit und bitten den jungen Pfarramtskandidaten Gustav Meyer (1812-1890)
ihnen biblische "Erbauungsstunden" zu halten. Dies ist im Jahre 1838 die Geburtsstunde des evangelischen
"Jünglings-Vereins zu Jöllenbeck", dem ersten seiner Art in Minden-Ravensberg.
Für Pastor Volkening ist das gemeinsame Chorsingen, das er persönlich auf Harmonium und "Physharmonika"
begleitet, unverzichtbar für kirchliche Erneuerung. Er tritt deshalb engagiert für den Chorgesang ein, der insbesondere von den jungen Leute begeistert aufgenommen wird. 1844
schreibt er darüber: "In meinem [Konfirmanden-] Saale singe ich übrigens sonntäglich
mit nahezu 200 Jünglingen und Jungfrauen viel, auch mit abwechselnden Chören, welches ihnen
und mir viel Freude macht." Neben den alten Liedern des weitgehend
"ungenießbaren" (Volkening), rationalistisch verwässerten Kirchengesangbuches
werden von den jugendlichen Chören insbesondere die von Volkening gesammelten neuen
"rhythmischen" geistlichen Lieder im "Volkston" favorisiert und der
Gemeinde nahegebracht. 1852 erscheint Volkenings "Missionsharfe", der
Liederbuchbestseller mit einer späteren Gesamtauflage von über 2,5 Millionen Exemplaren.
¹) Seit der Innenrenovierung in 2004 werden diese Bildhauerarbeiten im Vorraum der Kirche gezeigt.
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